1661 by Denis Lépée
Autor:Denis Lépée [Lépée, Denis]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Giacomo Del Sarto saß ganz nahe am Kamin und streckte seine Hände zu den Flammen. Der flackernde Feuerschein huschte über sein Gesicht und betonte seinen bleichen Teint. Von seinem schwarzen Mantel, den er über dem nebenstehenden Stuhl ausgebreitet hatte, tropfte das Wasser auf die ockerfarbenen Steinfliesen. Verdrossen deutete er darauf, als d’Orbay eintrat.
»Ich bin nur aus der Kutsche gestiegen und die paar Schritte bis zu Eurer Haustür gegangen, und schon bin ich völlig vom Regen durchnässt. Wir scheinen dazu verdammt zu sein, uns immer an stürmischen Tagen zu treffen.«
Er erhob sich und umarmte d’Orbay herzlich. Dann nahmen beide schweigend Platz, während der Diener den Raum verließ.
»Nun«, fuhr der Großmeister fort, nachdem die Tür geschlossen war, »was ist passiert? Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns nach unserer letzten Versammlung so schnell wiedersehen würden. Ich bin sofort aus Rom aufgebrochen, als ich Eure Nachricht erhalten habe. Ihr habt mich zutiefst beunruhigt. Und Ihr wisst, ich mag keine überstürzten Aktionen.«
D’Orbay seufzte, während er das Feuer schürte.
»Ich hatte keine andere Wahl. Ich wollte Eure Meinung hören und hatte leider nicht die Zeit, alle unsere Brüder einzuberufen. Ich denke übrigens nicht, dass dies zur Zeit vernünftig wäre.«
Giacomo del Sarto zog die Augenbrauen hoch und beugte sich vor.
»So schlimm steht es?«
»Leider ja. In den letzten Tagen ist allerhand Merkwürdiges passiert. Es vermischen sich verschiedene Dinge … Doch zunächst solltet Ihr wissen, dass unsere verloren gegangenen Schriftstücke wiederaufgetaucht sind.«
Del Sarto schreckte hoch, ja er schrie fast: »Was? Wo?«
»Es ist eine wirklich seltsame Geschichte. Wie es scheint, war unsere große Sorge der letzten Jahre begründet: Die Dokumente, die unter den Euch bekannten Umständen während der Flucht unseres Bruders André verloren gingen, befanden sich tatsächlich in Mazarins Besitz, der sie jedoch nicht zu entschlüsseln vermochte. Uns ist zum Glück das krankhafte Misstrauen des Italieners zugutegekommen. Er hat niemandem etwas davon erzählt, weil er von der Angst besessen war, andere könnten das Geheimnis schneller aufdecken als er selbst. Kurz, der Schuft hat sein Leben ausgehaucht, ohne …«
»Aber die Dokumente«, unterbrach ihn Del Sarto ungeduldig, »wer hat sie Mazarin entwendet? Und wo sind sie jetzt?«
»Das ist ja gerade das Seltsame daran. Ein paar religiöse Fanatiker haben in Mazarins Palais Feuer gelegt, um einen Einbruch zu vertuschen. Ich weiß zwar nicht, was sie genau gesucht haben, bin aber davon überzeugt, dass die Übeltäter unwissentlich unsere Dokumente mitgehen ließen, die ihnen dann später auf der Flucht abhandenkamen. Sie sind von einem jungen Mann gefunden worden, und der Zufall wollte es, dass er Nicolas Fouquet kennenlernte, der sein Beschützer wurde. Der junge Mann kommt aus Amboise, und ich wusste vom ersten Moment an, wer er ist, so frappierend ähnlich sieht er seinem Vater.«
Giacomo war wie vor den Kopf geschlagen. Er lehnte sich zurück und faltete die Hände.
»Ihr habt es sicher erraten«, fuhr d’Orbay fort und erhob sich. »Ja, es ist Andrés Sohn, Gabriel de Pontbriand. Er hat die Dokumente gefunden. Seltsame Ironie der Geschichte, findet Ihr nicht auch?«, sagte er mit verdächtig brüchiger Stimme. »Vor fünfzehn Jahren entrinnt der Vater wie durch ein Wunder dem Tod, verliert dabei aber die Schriftstücke unserer Bruderschaft.
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