158 - Die Moortoten rufen by Cedric Balmore

158 - Die Moortoten rufen by Cedric Balmore

Autor:Cedric Balmore [Balmore, Cedric]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Vampir Horror Roman
veröffentlicht: 2014-06-29T04:00:00+00:00


Tim Burton rührte sich nicht vom Fleck. Die Schönheit des Mädchens raubte ihm den Atem, aber noch stärker ergriffen ihn die leichenhafte Blässe ihrer Haut und die tödliche Angst im Blick ihrer großen, ausdrucksvollen Augen. Das Mädchen war nicht älter als zwanzig. Sie hatte schulterlanges, kastanienbraunes Haar von sanftem Glanz. Die zitternden Lippen verliefen in einer weichen, lockenden Kurve, aber in den Mundwinkeln sah man Terror und Leid, so daß es unmöglich war, an Küssen und Flirten zu denken.

„Sie sind die Baroneß?“ fragte Tim Burton.

„Gehen Sie, bitte.“

Er schaute sich um, dann blickte er wieder das Mädchen an. Er drückte die Tür behutsam hinter sich ins Schloß. „Ich bin Tim Burton. Ich …“

Das Mädchen fiel ihm ins Wort. „Wenn Sie nicht gehen, sind Sie verloren.“

Er dachte daran, daß auch Dinah ihn gewarnt hatte, aber er sah keinen Grund, die Flucht zu ergreifen, im Gegenteil. Er war entschlossen, so lange zu bleiben, bis er die Geheimnisse gelöst hatte, die sich in und um Laramoy auf erschreckende Weise verdichteten.

„Ich habe keine Angst“, sagte er und straffte sich. „Vor wem sollte ich mich fürchten?“

Tim Burton sprach ganz ruhig. Er fühlte, daß es darauf ankam, dem Mädchen Mut zu machen.

„In Laramoy herrscht die Diktatur der Moortoten. Auch Sie müssen sich ihr beugen.“

Ihm fiel der grausige Fund ein, um dessentwillen er in das Schloß geeilt war. Er dachte an das Messer aus dem Besitz der de Courvilles, das im Rücken der Moorleiche steckte. Tim Burton lagen in diesem Augenblick ein Dutzend Fragen auf der Zunge, aber er zögerte, sie auszusprechen. Das Mädchen befand sich in einem kaum ansprechbaren Zustand, das war deutlich zu erkennen. Sie schwankte zwischen Furcht und Hysterie. Er ging einen Schritt nach vorn, dann noch einen. Er blieb stehen und fragte das Mädchen nach ihrem Namen. Er gab sich Mühe, das Gespräch zu normalisieren. Es mußte doch möglich sein, die Situation zu entschärfen.

„Ich heiße Cynthia“, sagte das Mädchen.

„Ich suche den Baron“, erklärte Tim Burton.

Er hatte das Gefühl, daß Cynthia aufzuspringen und ihn zu schütteln wünschte, daß sie ihn aus dem Zimmer treiben wollte, aber sie blieb sitzen wie gelähmt. Ihre schlanken Hände verkrampften sich in die Sessellehnen und verrieten ihre innere

Erregung. Wie gelähmt? Er schaute auf die Wolldecke, die die Beine des Mädchens bedeckte. Konnte sich Cynthia tatsächlich nicht bewegen? War dies der Grund dafür, daß kaum jemand sie zu Gesicht bekam? Hielt es der Baron aus Barmherzigkeit oder Stolz für erforderlich, das Gebrechen seiner unglücklichen Tochter zu verschweigen?

„Sind Sie krank?“ fragte Tim Burton.

Cynthia hob das Kinn. „Ich muß es Ihnen zeigen“, flüsterte sie kaum hörbar. „selbst auf die Gefahr hin, daß der Ekel Sie umbringt.“

Sie schlug die Wolldecke zur Seite. Tim Burton prallte zurück. Ihm war zumute, als habe er plötzlich einen heftigen Stoß vor die Brust erhalten. Seine Augen weiteten sich, und namenloses Entsetzen schnürte ihm die Kehle zu. Die Baroneß zeigte ihm ihre Beinstümpfe, Fragmente eines Körpers, der einst von makelloser Schönheit gewesen sein mochte und nur noch ein beklagenswerter Torso war. Cynthia zog die Decke wieder hoch. Ihre Lippen zuckten, und in ihren Augen schimmerten Tränen.



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