10 Tigerzähne (1914) by Maurice Leblanc

Autor:Maurice Leblanc
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Arsène Lupin, Krimiklassiker
Herausgeber: Edition de luxe
veröffentlicht: 1914-09-25T00:00:00+00:00

Das Geheimnis von Florence

Hilfe!

Als Arsène Lupin mir später diese Episode des tragischen Abenteuers erzählte, sagte er mir dazu nicht ohne Fatalität:

„Was mich damals erstaunt hat und was mich auch heute noch als einer der schönsten Siege erstaunt, auf die ich stolz sein darf, ist, dass ich plötzlich die Unschuld von Sauverand und Marie-Anne Fauville als unwiderruflich gelöstes Problem anerkennen konnte. Das, so schwöre ich Ihnen, ist erstklassig und übertrifft sowohl an psychologischem Wert als auch an polizeilichem Verdienst die berühmtesten Deduktionen der berühmtesten Detektive.

Denn schließlich war, alles in allem, nicht der Schatten einer neuen Tatsache eingetreten, die es mir erlaubt hätte, den Prozess zu revidieren. Die gegen die beiden Gefangenen angehäuften Anklagen waren dieselben und so schwerwiegend, dass kein Untersuchungsrichter auch nur eine Sekunde gezögert hätte, seinen Beschluss zu unterschreiben, und keine Jury, auf alle Fragen mit Ja zu antworten. Ich werde Ihnen nicht von Marie-Anne Fauville erzählen, denn es genügte, an die Abdrücke ihrer Zähne zu denken, um eine unerschütterliche Überzeugung zu gewinnen. Aber war Gaston Sauverand, der Sohn von Victor Sauverand und damit der Erbe von Cosmo Mornington, Gaston Sauverand, der Mann mit dem Ebenholzstock und der Mörder von Hauptinspektor Ancenis, war Gaston Sauverand nicht genauso schuldig wie Marie-Anne Fauville, wie sie durch die Enthüllungen des Mannes, den sie getötet hatten, angeklagt?

Und doch, warum dieser plötzliche Umschwung, der in mir stattfand? Warum habe ich gegen das Offensichtliche verstoßen? Warum habe ich an eine unglaubliche Wahrheit geglaubt? Warum habe ich das Unzulässige zugelassen?

Warum? Ach, zweifellos, weil die Wahrheit einen Akzent hat, der in den Ohren besonders klingt. Auf der einen Seite alle Beweise, alle Tatsachen, alle Realitäten, alle Gewissheiten; auf der anderen Seite eine Erzählung, die von einem der drei Schuldigen vorgetragen wurde, also von vornherein absurd und von der ersten bis zur letzten Silbe gelogen war. Aber eine Erzählung, die von einer loyalen Stimme vorgetragen wurde, eine klare, nüchterne, engmaschige Erzählung, die von einem Ende des Abenteuers zum anderen ohne Komplikationen oder Unwahrscheinlichkeiten ablief, eine Erzählung, die keine positive Lösung brachte, aber durch ihre Redlichkeit selbst jeden unparteiischen Geist zwang, die einmal gefundene Lösung zu revidieren.

Ich habe der Erzählung geglaubt.“

Lupins Erklärungen, wie er sie mir gab, waren nicht vollständig. Ich fragte ihn:

„Was ist mit Florence Levasseur?“

„Florence Levasseur?“

„Ja, Sie schließen nicht auf sie. Was für eine Meinung hatten Sie von ihr? Alles belastete sie, und zwar nicht nur in Ihren Augen, da sie logischerweise an allen Mordversuchen gegen Sie beteiligt war, sondern auch in den Augen der Justiz. Wusste man nicht, dass sie Gaston Sauverand am Boulevard Richard-Wallace heimlich besuchen wollte? Hatte man ihr Foto nicht im Notizbuch von Inspektor Vérot gefunden? Und dann, und dann, alles, Ihre Anschuldigungen, Ihre Gewissheiten. Hat sich all das durch Sauverands Erzählung geändert? War Florence Ihrer Meinung nach unschuldig oder schuldig?“

Er zögerte und war kurz davor, direkt und ehrlich auf meine Frage zu antworten, konnte sich aber nicht dazu entschließen und sagte:

„Ich wollte Vertrauen haben. Um zu handeln, musste ich volles Vertrauen haben, unabhängig von den Zweifeln, die mich noch plagten, und unabhängig von der Dunkelheit, die noch auf dem einen oder anderen Teil des Abenteuers lastete.

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