10 - Der Ölprinz by May Karl

10 - Der Ölprinz by May Karl

Autor:May, Karl [May, Karl]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-02-24T23:00:00+00:00


ACHTES KAPITEL

Am Petroleumsee

Wenn das Kriegsbeil zwischen zwei Indianerstämmen ausgegraben ist, was soviel heißt, daß nun auf Tod und Leben zwischen ihnen gekämpft werden soll, dann werden zunächst und vor allen Dingen von beiden Seiten Kundschafter ausgeschickt, welche zu erfahren suchen, wo der feindliche Stamm sich gegenwärtig befindet und wie viele erwachsene Krieger er zu stellen vermag. Den jetzigen Aufenthalt zu erkunden, ist deshalb schon notwendig, weil die sogenannten ‚wilden‘ Stämme gar nicht seßhaft sind, sondern stets umherstreifend, ihren Aufenthaltsort, allerdings innerhalb gewisser Grenzen, je nach ihren Bedürfnissen und Absichten immerwährend verändern.

Damit ist die Aufgabe der Kundschafter aber noch nicht erfüllt, sie müssen, und das ist das Schwierigere, auch zu erforschen suchen, in welcher Weise der Feind den Krieg zu führen beabsichtigt, ob er gut verproviantiert ist, wenn er aufbricht, welchen Weg er einzuschlagen und an welchem Orte er auf den Gegner zu treffen gedenkt. Dazu gehören erfahrene Männer, welche neben der unbedingt notwendigen Tapferkeit auch die nötige Umsicht, Vorsicht und List besitzen.

In Fällen, welche von keiner großen Bedeutung sind und dabei weniger Gefahr bieten, bedient man sich als Kundschafter jüngerer Krieger, damit dieselben Gelegenheit finden, ihren Mut und ihre Geschicklichkeit zu zeigen und sich einen Namen zu machen. Handelt es sich aber um mehr als das, so werden ältere, bewährte Männer auserwählt; ja, es kann sogar vorkommen, daß der Häuptling selbst auf Kundschaft geht, wenn er die Angelegenheit für dementsprechend wichtig hält.

Da, wie ganz selbstverständlich, von beiden Seiten Späher ausgesandt werden, so kommt es vor, daß dieselben aufeinander treffen. Dann heißt es, alles aufzubieten, was Verschlagenheit und Kühnheit vermögen, um die feindlichen Kundschafter unschädlich zu machen, also sie zu töten. Wenn das gelingt, so bleibt der Gegner ohne Nachricht, wird also durch den Angriff überrascht und mit größerer Leichtigkeit besiegt.

Es läßt sich da leicht denken, daß bei einem solchen Zusammentreffen der beiderseitigen Späher oft weit mehr List, Gewandtheit und Verwegenheit aufgeboten wird, als bei dem späteren eigentlichen Kampf. Es geschehen dabei Taten, deren Erzählung noch später, nach langen Jahren, von Mund zu Mund geht.

Wie schon mehrfach erwähnt, waren gerade in gegenwärtiger Zeit zwischen einigen Stämmen sehr ernste Feindseligkeiten ausgebrochen, nämlich zwischen den Nijoras und den damals nördlich von ihnen hausenden Navajoindianern. Der Chellyarm des Rio Colorado bildete die Grenze zwischen diesen beiden Stämmen. Die Gegend, welche er durchfließt, war also das sehr gefährliche Gebiet, in welchem die Gegner voraussichtlich aufeinander treffen würden, und das also vorher von den Kundschaftern durchspäht werden mußte.

Die Gefährlichkeit dieser Gegend betraf nicht etwa nur die Indianer, sondern auch die Weißen, denn die Erfahrung lehrt, daß, sobald Rote gegeneinander kämpfen, die Bleichgesichter von beiden Seiten als Feinde betrachtet werden. Sie befinden sich dann, um ein Bild zu gebrauchen, wie zwischen den Klingen einer Schere, welche in jedem Augenblick sich zusammenziehen können.

Die ‚Gloomy-water’, nach welchem der Ölprinz wollte, lag am Chellyfluß. Grinley kannte die Gefahr, welche jeden Weißen, der gerade jetzt dorthin wollte, erwartete, glaubte aber, den Ritt doch riskieren zu können, weil er bisher von Angehörigen beider Stämme nie feindlich behandelt worden war. Vielleicht hätte er



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