01 - Bruderherz by Blake Crouch

01 - Bruderherz by Blake Crouch

Autor:Blake Crouch
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3-548-25865-4
veröffentlicht: 2010-08-19T04:00:00+00:00


Kapitel 19

Nebel streifte mein Gesicht, als ich zur Mitte des Sees hinausruderte. Ich hörte nichts außer dem gurgelnden Geklapper des Außenbordmotors, der am Heck meines undichten Ruderbootes angebracht war. Der Abendhimmel sah nach Regen aus, als ich über das bleierne, sich kräuselnde Wasser glitt und auf dem leeren See nach Walters Boot Ausschau hielt.

Eine halbe Meile von meinem Steg entfernt stellte ich den Motor ab. Die kalte, stille Dämmerung hüllte mich ein, und ich überlegte, ob ich wohl noch vor Einsetzen des Regens zurückkäme. Obwohl ich nicht gerne draußen auf dem See war, blieb mir keine Wahl, denn in meinem Haus konnte ich mit Walter nicht mehr sprechen, aus Angst, dass Orson mithörte.

Ich hörte das Dröhnen von Walters Boot, bevor ich es sah. Meine Nerven flatterten, und ich bedauerte, vorher nicht noch mehrere harte Drinks gekippt zu haben, die es mir leichter gemacht hätten, ihm das zu sagen, was ich ihm sagen musste. Walter hatte ebenfalls den Motor abgestellt, kam mit seinem Ruderboot an meine Seite und warf mir ein Tau herüber, damit ich uns aneinander binden konnte.

»Was ist los?«, fragte er.

»Hast du die Nachrichten gesehen?«

»Klar.«

Er holte eine Packung Marlboro Lights aus seinem braunen Regenmantel und schob sich eine Zigarette zwischen die Zähne. Aus einer Tasche meines blauen Regenmantels zog ich ein Gasfeuerzeug und reichte es ihm. »Danke«, sagte er, blies eine Rauchwolke aus dem Mundwinkel und gab mir das Feuerzeug zurück. »Die Presse ist völlig ausgerastet«, meinte er. »Der Ehrgeiz steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Ich wette, die hatten ‘nen Orgasmus, als sie den Tipp bekommen haben.«

»Du glaubst also, sie haben einen Tipp bekommen?«

»Klar, natürlich. Wer auch immer diese Kartons dort hingestellt hatte, wusste genau, was er tat. Vermutlich hat er direkt danach ein Dutzend Zeitungen und Fernsehsender informiert. Ich wette, er hat ihnen gesagt, dass hinter dem Weißen Haus eine Bombe liegt. Dann hat diese Joggerin 911 gewählt und die Geschichte bestätigt und bum… das Medienereignis des Jahres.« Walter nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und redete weiter, als sich der Rauch aus seinem Mund kräuselte. »Ja, der Einzige, der über diese Herzen noch glücklicher ist als die Presse, ist dieses kranke Arschloch, das sie da abgestellt hat. Der sitzt jetzt wahrscheinlich gerade vor dem Fernseher, holt sich einen runter und sieht zu, wie sich die ganze Nation sabbernd das Maul darüber zerreißt, wie er…«

»Es war Orson«, unterbrach ich ihn. Walter zog wieder an seiner Zigarette und versuchte, ausdruckslos dreinzublicken.

»Woher weißt du das?«, fragte er und hustete beim Ausatmen leicht.

»Er bewahrt die Herzen auf. In seiner Hütte in Wyoming stand eine Gefriertruhe, die war voll damit. Es sind seine Trophäen, seine kleinen Andenken.«

»Andy…«

»Nur eine Minute, hör mir zu, Walter.«

Eine Welle ließ unsere Boote aneinander schlagen und ein Regentropfen traf mein Gesicht.

Wie sagt man einem Mann, dass man seine Frau und seine Kinder in Gefahr gebracht hat?

»Das Ding in Washington ist noch gar nichts«, erklärte ich. »Meine Mutter ist tot. Orson hat sie gestern Abend stranguliert. Er hat es auf Video aufgezeichnet… Es ist…« Ich unterbrach mich, um wieder ruhiger zu werden.



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