003 - Drei Frauen und ein falsches Leben by Dora Heldt

Autor:Dora Heldt [Heldt, Dora]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2023-01-19T23:00:00+00:00

Eine halbe Stunde später stand sie etwas kurzatmig am Eingang des gut besuchten Lokals und sah sich kurz um, bevor sie Frau Bellmann entdeckte, die an einem Fensterplatz in einer Illustrierten blätterte. Als Esther an den Tisch kam, hob sie den Kopf und legte die Zeitschrift sofort weg. »Da bist du ja, meine Liebe. Setz dich.«

Noch bevor Esther saß, gab sie der Bedienung ein Zeichen. »Was möchtest du? Eiskaffee?« Sie deutete auf ihr Glas. »Der ist hier sehr gut.«

»Gern.« Sie reichte der herangeeilten Bedienung ihren Mantel und nahm Platz, bevor sie fragte: »Das ist ja wirklich eine Überraschung. Haben Sie mich zufällig gefunden?«

»Nein, ich habe Frau von Mandel neulich auf der Straße getroffen«, Frau Bellmann lächelte mitleidig. »Große Güte, was ist die dick geworden. Aber geschwätzig wie immer. Sie hat mir erzählt, dass sie jetzt in Lübeck wohnt und Kundin der berühmten Madame Leclerc ist. Und die hätte so eine hervorragende Schneiderin namens Esther, die für sie einige Sachen geändert hätte. Sie hat dich sofort erkannt, du sie anscheinend nicht.«

»Frau von Mandel?« Esther hob die Schultern. »Ja, das ist eine Kundin. Aber wieso hat sie mich erkannt?«

»Sie hieß früher Fräulein Arnold und war sehr schlank«, erklärte Frau Bellmann. »Wir haben ihr damals das Hochzeitskleid genäht. Wir haben die ganze Nacht daran gesessen.«

»Ach Gott, das ist Frau von Mandel?« Ungläubig sah Esther ihre ehemalige Lehrherrin an. »Das hätte ich nicht gedacht. Und ich habe sie auch nicht erkannt. Deshalb ist sie immer so freundlich gewesen, sie hat nie etwas gesagt.«

»Sie hat sich auch verdoppelt«, Frau Bellmann lächelte ironisch. »Die Ehe macht eben dick. Dich anscheinend nicht, meine Liebe, du bist immer noch so zierlich. Erzähl mal, wie war deine Hochzeit? Was hast du für ein Kleid getragen? Wo habt ihr die Feier ausgerichtet?«

Esther gab sich Mühe, einen neutralen Ton zu finden. »Wir haben erst vor einem halben Jahr und aus familiären Gründen im ganz kleinen Kreis geheiratet.«

»Ach? Warum das?« Neugierig beugte sich Frau Bellmann vor. »Ist dein …«

Dass die Bedienung im richtigen Moment mit dem Eiskaffee kam, gab Esther wenigstens einen Augenblick Zeit, sich die Antwort gut zu überlegen. »Danke schön«, sagte sie leise und betrachtete den Eiskaffee. Es war so viel Sahne auf den Kaffee getürmt, dass ihr schon vom Hinsehen schlecht wurde.

»Vielen Dank«, Frau Bellmann nickte der Kellnerin zu, dann wandte sie sich wieder an Esther. »Ja, dann erzähl mal. Bist du glücklich?«

Esther nickte schnell. »Aber ja, es ist alles gut. Wir haben eine sehr schöne Wohnung in der Altstadt, ich arbeite noch drei Tage die Woche im Modesalon, es macht mir sehr viel Freude.«

Frau Bellmann sah sie zweifelnd an. »Aber du wirkst nicht richtig glücklich. Wie ist denn der Mann, den du geheiratet hast? Wo hast du ihn kennengelernt? Was macht er beruflich?«

Esther hob sofort ihr Kinn und lächelte wie auf Knopfdruck. »Oh, er ist sehr nett. Dieter ist Buchhalter in einer großen Spedition und seine Mutter war eine Kundin von Madame Leclerc. Sie kam regelmäßig ins Geschäft und wurde immer von ihrem Sohn begleitet. Und dann brachte er eines Tages Blumen mit und machte mir ganz altmodisch den Hof.

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