002 - Hiding Darkness by Lara Holthaus

Autor:Lara Holthaus [Holthaus, Lara]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783551585417
Herausgeber: Hamburg ; Carlsen
veröffentlicht: 2024-01-01T12:30:00+00:00

26. KAPITEL

GEDANKENLEICHTE,

LEBLOSE PUPPE

LIVIA

»Nie ohne mein Team!« Vic hopst, bewaffnet mit einer Flasche Wodka, auf dem Pool-Plateau auf und ab, als sich der Song ändert und Bonez MC und RAF Camora in ohrenbetäubender Lautstärke aus den Boxen dröhnen. »Liiiiv!«, schreit sie in meine Richtung und winkt mich fordernd zu sich heran. »Du bist mein Team!« Die Wildheit und ihre brennenden Fesseln leuchten auf jedem Zentimeter ihrer Haut. Vic ist klitschnass, aber strahlt und ist eine Version ihrer selbst, die sie viel, viel zu lange verdrängt hat. Ihr Haare fliegen, das weiße Kleid ist zu einer durchsichtigen zweiten Haut geworden, das freie Sicht auf ihre Brust gewährt, da ihr Bikinioberteil irgendwann in den letzten zwei Stunden den Abflug gemacht hat.

Die Party ist völlig eskaliert. Leere Champagnerflaschen schwimmen im Pool, Pillen werden eingeworfen wie Smarties. Hüllen und Hemmungen sind gleichermaßen gefallen. Wir sind gefallen. Wir alle. Denn Nächte wie diese sind die einzige Möglichkeit dafür. Fallen, loslassen, frei sein. Morgen früh muss jeder Einzelne hier wieder aufrecht stehen.

»Jetzt kooooomm!« Vic imitiert das Werfen eines unsichtbaren Lassos, mit dem sie mich aus dem Wasser fischen will. Ich kreische laut auf, tue so, als würde mich ihr Seil packen, und schwimme die wenigen Meter auf das Plateau zu. Das Wasser ist ein glitzerndes Farbenmeer und ich bin leicht – sorgenleicht, gedankenleicht, mauerleicht. Vielleicht zum letzten Mal.

»Mund auf!« Vics glasige Augen tanzen vor meinen, als ich meine Oberarme auf den Rand des Pools lege, während sie über mir steht. Ein dunkles Feuer lodert in ihren Augen, das ich so sehr vermisst habe, dass ich vor Freude schreien möchte. Oh, ich schreie wirklich, merke ich gerade. Ich kreische und lache und werfe den Kopf in den Nacken, damit Vic mir Wodka in den geöffneten Mund schütten kann. Brennende Flüssigkeit rinnt meine Kehle hinab. Sie schmeckt nach Freiheit und sammelt sich als Hitzeball in meinem Bauch.

»Komm hoch, du Schluckspecht.« Bennet schüttelt lachend den Kopf, hält mir eine Hand hin und zieht mich aus dem Wasser. Vic leert die Flasche, in der nur noch eine Pfütze war, wirft sie achtlos auf den Beckenrand und umschlingt mich und Bennet.

»Nie ohne mein Team«, singt sie laut und hüpft.

»Nie ohne mein Team!« Bennet und ich springen auch.

»Wuhuuu«, machen die Feiernden und feuern uns an. Vic und ich tanzen erst mit Bennet, dann zu zweit. Unsere Hüften kreisen, unsere Brüste springen. Mein Herz auch.

»Wollt ihr?« Einer der Gäste, ich glaube, er war früher in meinem Mathekurs, streckt uns aus dem Pool eine Hand mit Pillen entgegen, aber ich schüttle den Kopf.

»Liv?« Vic legt mir ihre Hände auf die Schultern und sieht mich ernst an.

»Ja?«

»Ich werde dich jetzt küssen. Einfach so. Weil ich dich scheiße lieb hab.«

Ich kriege einen Kicheranfall. »Ich warte schon lange darauf, dass du das sagst«, bringe ich dann hervor. Nur einen Wimpernschlag später liegen ihre Lippen auf meinen. Die Menge flippt aus.

»Immer macht ihr die coolen Sachen ohne mich«, höre ich Bennet, als sich Vics Zunge in meinen Mund schiebt und sie ihre Finger in mein Trauzeuginnen-T-Shirt krallt. Ich muss so in den Kuss hineinlachen, dass ich das Gleichgewicht verliere und nach hinten taumle.

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