°C - Celsius by Elsberg Marc

°C - Celsius by Elsberg Marc

Autor:Elsberg, Marc [Elsberg, Marc]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet Verlag
veröffentlicht: 2023-03-14T00:00:00+00:00


»Die fahren uns an die Wand!«, wütete Fay.

»Die müssen sich erst einmal an die Lage gewöhnen«, versuchte Ben sie zu beschwichtigen.

»Dafür haben wir keine Zeit mehr!«, widersprach Fay. »Es ist wie bei allen anderen Krisen der vergangenen Jahrzehnte: Zaudern, Verschleppen, Feigheit und Inkompetenz, immer alles zu spät und dann aktionistisch! Und wie üblich wird es im Desaster enden.« Sie warf sich auf die Couch. »Nicolas und Joy anrufen«, befahl sie.

Von der Scheibe auf dem Sofatisch aus öffnete sich das Holo. Die Luftsäule oberhalb der Scheibe schien leicht zu zittern, wie an einem heißen Sommertag.

»Was willst du denn jetzt mit den Kindern?«, fragte Ben.

Im Holo erschien zuerst Joys halb transparentes Schulterporträt. Sie blickte schlecht gelaunt.

»Mom! Was ist denn jetzt schon wieder?«

Gleich darauf tauchte neben ihr Nicolas auf. Er saß an einem Arbeitstisch.

»Mom, Dad. Joy, du auch da?«

»Kümmer dich um deinen Kram«, erwiderte seine Schwester.

»Hattest du heute nicht deinen Krisentermin?«, fragte Nicolas seine Mutter.

»Deshalb wollte ich mit euch sprechen«, sagte Fay. »Sie werden es nicht hinkriegen. So, wie sie es seit Jahrzehnten nicht hinbekommen.«

»Wer? Was?«, fragte Joy. »Wovon redest du?«

»Mom hatte heute doch so einen UNO-Termin mit einigen Staatschefs«, erklärte Nicolas.

»Nicht ›so einen‹«, widersprach Fay. »Teilgenommen haben die US-Präsidentin, die meisten Regierungschefs der EU-Staaten, von Japan und auch anderen Teilen der Welt. Über neunzig insgesamt. Es ging darum, ob vor allem die westliche Welt und die aufstrebenden Staaten im Süden, wie Indien, Nigeria und Brasilien, gewillt sind, den drohenden Termination-Schock zu verhindern.«

»Davon gehe ich aus«, sagte Nicolas.

»So doof kannst nicht mal du sein«, warf Joy ein.

»Joy, bitte«, unterbrach Fay sie. »Die Sache ist ernst.«

»Ich weiß das, seit ich ein Kind bin!«, fuhr ihre Tochter sie an. »So wie du auch!«

»Aber sie müssen doch …«, meinte Nicolas, »sonst …«

»Ihre Vorgänger hätten auch müssen«, unterbrach ihn Joy wütend. »So wie deren Vorgänger. Und haben trotzdem nie annähernd genug getan.«

»Und so wird es jetzt auch wieder enden«, sagte Fay. »Darauf verwette ich nach dem heutigen Termin alles.«

»Du hast doch selbst immer mitgemacht«, warf Joy ihr vor. »›Geoengineering koordinieren‹ … Unfassbar! Statt dass ihr euch damals angestrengt hättet, Treibhausgase zu verringern, als es noch möglich gewesen wäre!«

»Mom«, unterbrach Nicolas sie, »die Zerstörung des Großen Sonnenschirms ist gerade mal zwei Tage her. Die müssen erst aus ihrer Schockstarre kommen.«

»Das hat dein Vater auch gesagt«, meinte Fay. »Aber ich habe lange genug mit Politikern zu tun, um zu wissen, was kommt. Wie geht es euch in Madrid?«, fragte sie Nicolas.

»Gut, danke, weißt du doch. Mellie und die Kinder sind wohlauf. Ich sichte gerade Angebote aus Mumbai, Los Angeles und Djakarta. Aber das weißt du ja auch.«

»Und bei dir Joy? Paris?«

»Wie soll es schon gehen?«, erwiderte Joy mürrisch. »Das Studium ist fast fertig, falls du wissen willst, ob ihr mir mehr Unterhalt zahlen sollt. Danke, nein, ich komme selbst zurecht. Danach gehe ich wahrscheinlich nach Rom. Vielleicht auch Afrika, um von dort zu berichten. Könnte ja buchstäblich heiß werden.«

Fay biss die Zähne zusammen und holte tief Luft.

»Ich weiß, was ich gleich sagen werde, klingt lächerlich, verrückt, unglaublich. Aber ihr müsst ernsthaft darüber nachdenken.



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